Fehler können ein Zugang zur inneren Klarheit sein
Diese komisch-berechtigte Angst vor Fehlern.
Bevor ich begonnen habe, meine eigenen Wege zur persönlichen Weiterentwicklung zu finden, auszuprobieren und weiterzugehen, war die Angst vor Fehlern einer meiner größten inneren Gegner. Ich hatte ständig Sorge, in den Augen anderer etwas falsch zu machen. Wenn etwas nicht lief oder ich mich nicht gut genug fühlte, machte ich mich selbst klein. Der Druck, alles „richtig“ machen zu müssen, machte mich regelrecht starr – innerlich verkrampft und körperlich verspannt.
Ich trug lange einen tief sitzenden Glaubenssatz in mir: „Bloß keine Fehler machen, dann lässt man dich in Ruhe.“ Aber am Ende – wenn dich jemand „auf dem Kieker“ hat – dann ist es egal, was du tust. Menschen haben oft einen erstaunlich feinen Radar für alles, was von ihnen selbst ablenkt. Fehler bei anderen scheinen da willkommen zu sein.
Ich erinnere mich an eine frühere Anstellung, in der ich unter ständiger Beobachtung stand – von selbsternannten „Häuptlingen“, wie ich sie nannte. Jeder kleinste Patzer wurde direkt an den Chef weitergetragen.
Als es dann irgendwann zu einem Gespräch kam, ob ich den Job weitermachen möchte, war meine Antwort ein klares Nein. Ich wusste zwar nicht, wie es danach weitergehen würde – aber ich wusste: Dort wollte ich nicht bleiben. Mein damaliger Chef war sichtlich überrascht. Neben ihm saß auch sein Vorgesetzter. Ich hatte zuvor bereits von den Mobbing-Vorfällen berichtet, vom Bespitzeln und von der feindseligen Stimmung. Sein Kommentar: Ich sei selbst schuld – ich wäre einfach zu introvertiert. Er habe schließlich Psychologie studiert und kenne sich damit bestens aus.
Wenn ich heute zurückblicke, erkenne ich: Mein Nein war nicht nur ein Akt der Klarheit – es war auch von Angst begleitet. Die Angst, mich weiterhin so behandeln zu lassen.
Er wollte mir einreden, dass mein Weggang ein Fehler sei. Doch gleichzeitig kamen von ihm kaum aufrichtige oder unterstützende Worte – im Gegenteil: Seine Aussagen waren abwertend, verletzend und kleinmachend.
Mit diesem Blogbeitrag möchte ich einen anderen Blick auf Fehler eröffnen:
Fehler können Helfer sein. Nicht etwas Dunkles, das man vermeiden sollte – sondern Wegweiser, Spiegel, Lernmaterial.
Und nur, weil andere dir einen Fehler einreden wollen, heißt das noch lange nicht, dass du ihnen glauben musst. Es darf dich nicht davon abhalten, das zu tun, was sich für dich innerlich stimmig und richtig anfühlt.
Fehlerkultur als Schlüssel zur persönlichen Weiterentwicklung
Wenn ich heute auf diese Zeit zurückblicke, war sie vielleicht der erste richtige Aufbruch in meine persönliche Weiterentwicklung.
Damals verließ ich meine Heimatstadt, nahm eine neue Stelle an – und kündigte schon nach ein paar Wochen wieder. Der Chef dort hatte offenbar kein Problem damit, mich vor versammelter Mannschaft kleinzumachen, und gleichzeitig konnte (oder wollte) er unser Gehalt nicht zahlen – während er sein Haus renovierte.
Ich dachte lange, meine persönliche Entwicklung habe erst mit einer Sinnkrise vor ein paar Jahren begonnen. Aber eigentlich startete sie viel früher.
Sie beginnt nämlich nicht erst mit großen Umbrüchen, sondern oft mit kleinen, mutigen Entscheidungen:
- Die Umgebung zu verändern.
- Grenzen zu setzen – vor allem im beruflichen Kontext.
- Nein zu sagen, wenn einem etwas nicht guttut.
- In einer fremden Stadt neue Kontakte zu knüpfen.
- Trennungsschmerz zu verarbeiten, ohne sich selbst zu verurteilen.
- Vor Menschen zu sprechen, sichtbar zu werden, Verantwortung zu übernehmen.
Vielleicht sieht dein Weg anders aus. Vielleicht magst du kurz innehalten und dich fragen: Wann hast du bewusst begonnen, dich weiterzuentwickeln?
Fehler als Begleiter auf dem Weg
Natürlich sind auf diesem Weg Fehler passiert – begleitet von Schuldgefühlen, Scham und Ängsten. Aber erst Jahre später konnte ich beginnen, wirklich mit diesen Gefühlen zu arbeiten. Durch Reflexion, Coachings, Meditation – und vor allem durch bewusste Vergebungsarbeit.
Ich habe gelernt: Mit Fehlern lässt sich auch rückwirkend arbeiten.
Du kannst die Vergangenheit nicht ändern – aber du kannst dich aktiv mit ihr auseinandersetzen. So kannst du alte emotionale Knoten lösen – Verbindungen zur Vergangenheit, die dir heute vielleicht noch Energie rauben oder dich bremsen, wenn es um den nächsten Schritt geht.
Wenn du magst, nutze gerne die 36 Fragen die ich in folgenden Beitrag zusammengefasst habe. Sie können dir helfen, deine eigene Fehlerkultur bewusster zu reflektieren und neue Perspektiven zu finden.
Vom Scheitern zum Erfolg: Warum Fehler für Wachstum unverzichtbar sind
Wenn wir die Zeit ein wenig zurückdrehen, dann war das „Fehlermachen“ früher oft ein echtes Risiko – manchmal sogar lebensgefährlich. Anders zu sein, nicht zu funktionieren wie die Norm, galt als bedrohlich. In früheren Jahrhunderten konnte das bedeuten, auf dem Scheiterhaufen zu landen.
Vielleicht steckt dieser tiefe Schrecken vor Fehlern noch immer in unserer kollektiven Erinnerung – als etwas, das bestraft wird, das „den Kopf kosten“ kann.
Auch heute ist das Fehlermachen in vielen Kontexten negativ behaftet. Und dabei begegnen uns täglich kleine Fehler:
- Wir verklicken uns.
- Lassen etwas fallen.
- Verschreiben oder versprechen uns.
- Verlieren etwas aus den Augen.
- Oder verlegen den Schlüssel (mal wieder).
Diese kleinen Missgeschicke werden häufig von einer inneren Stimme kommentiert – oft wenig freundlich. Unsere negativen Selbstgespräche sind manchmal der eigentliche Schmerz, nicht der Fehler selbst.
Wo bleibt der Blick für das Gelungene?
Was dabei leicht übersehen wird:
Was wir den ganzen Tag leisten.
Was wir alles richtig machen.
Wie oft wir Entscheidungen treffen, zuhören, uns kümmern, denken, fühlen, funktionieren.
Auch in den kleinsten, scheinbar banalen Handlungen steckt oft eine stille Heldengeschichte.
Tipp: Mach Dir mal einen ganzen Tag lang bewusst was du alles schaffst, meisterst, erledigst und auf deiner innerlichen Checkliste mal fett abhaken kannst. Und das kann der Abwasch sein, das Bett gemacht, kochen oder duschen was auch immer. Nimm du es wahr! Es geht nicht um die anderen sondern um deine Wahrnehmung.
Ohne Fehler – kein Fortschritt
Wenn wir auf die Menschheitsgeschichte blicken, wird schnell klar:
Ohne Fehler gäbe es keine Innovation.
Die Glühbirne, das Rad, das Auto, der Computer – all das wäre nie entstanden, wenn beim ersten Scheitern alles aufgegeben worden wäre.
Es gibt zahllose Beispiele von Menschen, die gescheitert sind – und genau daraus Kraft geschöpft haben. Die nicht aufgegeben haben, weil sie an ihre Idee geglaubt haben. Die mit jedem Fehlversuch gewachsen sind – und manchmal dadurch erst auf die wirklich gute Lösung gestoßen sind.
Fehler führen manchmal zu besseren Ergebnissen als der ursprüngliche Plan.
Was Fehler möglich machen
Wenn wir keine Fehler machen würden:
- Würden wir nichts Neues lernen.
- Würden wir auf der Stelle treten.
- Würden wir wichtige Geschichten und Erfahrungen nicht teilen können.
- Würden wir Wege nicht sehen, die nur durch Umwege sichtbar werden.
- Würden wir vielleicht keinen Antrieb finden etwas besser zu machen.
Vielleicht gehe ich damit weit – aber ich glaube:
Ohne Fehler gibt es keine Weiterentwicklung.
Genauso wie Schmerz und Angst dazugehören, wenn echte Veränderung stattfindet, diese ein Risiko sein können das in diesem Prozess mit auftritt.
Wenn ich heute zurückschaue, dann weiß ich: All die kleinen und großen Fehltritte haben mich genau dorthin gebracht, wo ich jetzt bin.
Ohne sie – ohne das Scheitern, das Zweifeln, das Stolpern – wäre ich vielleicht ein anderer Mensch aber mit weniger Erfahrung.
Mit Fehlern leben lernen: Wege zu mehr Selbstakzeptanz und Veränderung
Reue und Scham im Zusammenhang mit Fehlern können sehr unangenehm sein. Es sind Gefühle, die man am liebsten gar nicht haben möchte. Schnell werden sie vor anderen verborgen – und am besten gleich in unserem innersten „Keller“ weggesperrt. Doch alles, was wir versuchen wegzusperren, sucht sich irgendwann einen anderen Ausgang.
Ich spreche hier zum Beispiel von Energieeinbrüchen, destruktiven Gewohnheiten, emotionalen Ausbrüchen oder dem Rückzug in emotionale Zonen, die uns vertraut sind – Zustände wie Lethargie, Frustration oder Resignation. Ich nenne das gerne unser „emotionales Zuhause“. Wir kennen diese Zustände so gut, dass wir lieber wieder in sie hineinschlüpfen, anstatt uns für andere, vielleicht ungewohnte Gefühle zu öffnen.
Gefühlte Fehler können uns lebendig machen
- Wir lassen die Gefühle zu, anstatt sie wegzudrücken oder zu ignorieren.
- Wir drücken sie aus – durch Schreiben, Singen, Tanzen, Malen, Sprechen, Basteln, was auch immer uns entspricht.
- Wir teilen uns mit und lassen andere daran teilhaben.
- Wir erkennen, was wir daraus gelernt haben.
- Wir akzeptieren, dass es passiert ist – wir können es nicht ändern, aber wir können verändern, was es mit uns macht.
Reflexionsimpulse:
- Wenn du heute noch an „Fehler XY“ festhältst – bringt er dich weiter? Jetzt oder in der Zukunft?
- Wenn du diesen Fehler nicht gemacht hättest – welchen anderen hättest du stattdessen gemacht?
- War dieser Fehler vielleicht sogar nötig, um über dich selbst etwas zu erfahren, das dir heute dienlich ist? Und wenn ja – was genau ist das?
Fehlerfreundlichkeit als Erfolgsfaktor: Persönliche und berufliche Chancen erkennen
Als ich in den letzten Monaten auf der Suche nach einer neuen Anstellung war, wurde ich immer wieder auf meine berufliche Auszeit angesprochen – und auch darauf, warum ich selbst gekündigt habe. Und ich habe jedes Mal gespürt, wie diese Entscheidung (vielleicht ganz unbewusst) gleich mit einem roten Fähnchen versehen wurde. Als ob sie ein Fehler war. Oder schlimmer noch: Ich als Fehler. Als jemand, der so etwas tut.
Ich hatte nicht das Gefühl, dass mein Gegenüber wirklich offen war für eine andere Sichtweise – es schien einfach „nicht normal“ zu sein. Natürlich nicht, sonst würde es ja jede*r machen. Aber für mich war diese Entscheidung ein Akt von Selbstrespekt, ein Bekenntnis zu meinem eigenen Selbstwert und eine bewusste Investition in meine persönliche Weiterentwicklung.
Ich habe diese Zeit genutzt, um die vergangenen Jahre innerlich wirklich zu verarbeiten. Das klingt vielleicht dramatischer, als es war – aber diese Jahre waren geprägt von dem ständigen Gedanken: Ich will kündigen – und bleibe trotzdem. In dieser Zeit habe ich mich persönlich weitergebildet, reflektiert und Stück für Stück erkannt, was für mich nicht (mehr) stimmig ist. Irgendwann war mein „Warum“ komplett verblasst – und es hielt mich nichts mehr dort.
Wenn ich diesen vermeintlichen „Fehler“ nicht gemacht hätte – wer weiß, wie es mir heute ginge? Wahrscheinlich nicht gut. Ich hätte mich nicht so intensiv mit mir selbst auseinandergesetzt, hätte nicht diese Tiefe in mir entdeckt – und vielleicht auch nicht dieses neue Mitgefühl für andere.
Ich habe ein neues Bewusstsein für ein berufliches Umfeld entwickelt – eines, das nicht von Leistungsdruck, Fehlerverschleierung oder Unmenschlichkeit geprägt ist. In dem Menschen nicht nur als Ressourcen betrachtet werden.
Fehlerfreundlichkeit betrifft nicht nur uns selbst
Auch wenn sich dieser Beitrag stark auf persönliche Fehler bezieht, zieht sich das Thema weit in den beruflichen Kontext hinein: in Teams, in Organisationen, in Unternehmensberatungen, überall. Doch es beginnt bei jedem Einzelnen – auch bei denen, die glauben, es sei nicht wichtig.
Es geht nicht nur darum, die eigenen Fehler zu erkennen und liebevoll anzunehmen. Sondern auch darum, wie wir mit den Fehlern der anderen umgehen: transparenter, respektvoller, menschlicher.
Nicht abwertend. Nicht entmenschlichend. Sondern erhebend.
Zum Schluss
Eine gelebte Fehlerkultur beginnt bei jedem Einzelnen – mit Selbstehrlichkeit und der inneren Haltung: Ja, Fehler passieren. Aber sie haben ihren Wert – und den sollten wir nicht unterschätzen.
Beim Schreiben dieses Beitrags sind mir ein paar Fragen gekommen, die ich gerne an dich weitergeben möchte:
- Auf welchen Fehler bist du besonders stolz, ihn gemacht zu haben?
- Welchen Fehler würdest du ein zweites Mal machen?
- Und – auch wenn sie vielleicht ein wenig schmerzt – welche Fehler hast du zu oft gemacht, ohne wirklich daraus zu lernen?
Und wenn du heute darüber sprechen könntest: Was könnten andere daraus mitnehmen?
Ein Film, der mir im Zusammenhang mit Fehlern immer wieder einfällt, ist Der große Trip mit Reese Witherspoon – eine wahre Geschichte. Am Ende findet sie wunderschöne Worte darüber, wie sie sich ihre Fehler nicht mehr schlechtreden will. Stattdessen erkennt sie sie als Wegweiser – für ein Leben, das sie bewusst beginnt zu leben, Schritt für Schritt. Und alles beginnt sich zu fügen.
Ich finde, diese Geschichte zeigt sehr eindrücklich, wie sehr Fehler uns prägen – und wie sie uns auf Wege führen können, auf denen wir uns selbst begegnen.
Erzähle mir gerne in den Kommentaren von deinen Fehlern.
Ich freue mich von Dir zu lesen.
Liebe Grüsse Nicole
PS: Wenn dich das Thema Fehlerkultur und persönliche Weiterentwicklung genauso bewegt wie mich, dann lade ich dich herzlich ein, meinen Newsletter zu abonnieren.
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